Es klingt, wie der Anfang eines dramatischen Films. Ein kleines Mädchen wird nachts, im Alter von etwa fünf Tagen, in einem Bastkörbchen vor einer Kirche abgestellt. Niemand weiß, wie sie heißt, wo sie herkommt oder was mit ihren Eltern geschehen ist.

Doch so sehr das auch nach einer erfundenen Geschichte klingt, es ist keine, sondern die Wirklichkeit. Siebenundzwanzig Jahre ist es her, dass Desirees Leben eine Wendung erfuhr, von der sie mit fünf Tagen noch nicht wusste, was sie zu bedeuten hatte. 

Ausgesetzt.

Das ist ein Wort, dessen Bedeutung sie erst im Laufe der Jahre erfahren würde.

 

Nach einer Untersuchung im Krankenhaus schätzen die Ärzte den Geburtstag des kleinen Mädchens auf den 30. April. Kurz nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wird Desiree in ein liebevolles Elternhaus adoptiert. Schon als Kleinkind erfährt sie, dass sie nicht das leibliche Kind ihrer Eltern ist. Was das eigentlich heißt, realisiert sie erst, als sie älter wird. 

Mit welchen Gefühlen hat ein junges Mädchen zu kämpfen, wenn sie begreift, dass ihre Mutter sie nicht wollte? Desiree zerbricht beinahe an den Fragen über ihre Herkunft. Ihre gesamte Familie versucht, ihr den Halt zu geben, den sie braucht. Sie zeigten ihr, dass sie ein Teil von ihnen ist. Und dennoch bricht sie in ihrer schlimmsten Phase mit ihren Adoptiveltern. Geleitet von Hass und Unverständnis, rebelliert sie gegen alles und jeden. Niemand ist in der Lage, ihr zu helfen, niemand kann sie ihrer Meinung nach verstehen. Und doch bleibt ein kleines Gefühl von Dankbarkeit.

 

»Dann gab es die Phase, in der ich dankbar war, dass sie mich am Leben ließ. Ein bisschen muss sie mich ja geliebt haben.«

 

Wenn Desiree heute daran denkt, fühlt sie nur noch Gleichgültigkeit. Und dennoch ist es offensichtlich, dass ihre Vergangenheit sie geprägt hat.

 

»Hart, außergewöhnlich, liebevoll.«

 

Mit diesen drei Worten beschreibt sich die Siebenundzwanzigjährige heute. Drei Worte, die eine starke, aber herzliche junge Frau erkennen lassen, die ihr Leben im Griff hat. Als sie ihren Mann kennenlernt, normalisiert sich ihr Leben wieder und sie nähert sich ihren Adoptiveltern wieder an. Desiree wird jung Mutter von drei Kindern, aber nicht um die Fehler ihrer leiblichen Mutter bei ihren Kindern wieder gutzumachen. Sie ist ein Familienmensch und wuchs selbst mit drei Geschwistern auf. Auch wenn sie nie geplant hatte, so jung Mutter zu werden, bereut sie es keine Sekunde.

 

Desiree weiß bis heute nicht, was aus ihrer leiblichen Mutter wurde und warum sie diesen Schritt gegangen ist. Hätte sie die Möglichkeit, sie zu treffen, würde Desiree ihr nur eine einzige Frage stellen. 

Warum?

 

Es wird nie eine richtige Antwort auf diese Frage geben und dennoch hat Desiree ihren Frieden mit der Vergangenheit gemacht.